Aqua and Agri-PV

Sonnenstrom vom Acker: Photovoltaik in der Landwirtschaft hat enormes Potenzial. Ungelöst ist aber die Frage, wie sich die Felder unter den Modulen optimal bewässern lassen – vor allem in Zeiten, in denen Wasser knapper wird. In Konstanz forschen Jens Eickelmann, Adrian Minde und Johannes Kimmerle an einer nachhaltigen Lösung, von der Landwirtschaft und Gesellschaft profitieren können.

Isabel Stettin

Etwas unscheinbar sieht es aus, das Versuchslabor im Kleinformat, kaum größer als zwei mal zwei Meter. Himbeeren, Brombeeren und Johannisbeeren gedeihen darin, überdacht von zwei Photovoltaik- Modulen. Nebendran steht eine gefüllte Regentonne, aus der die Pflänzchen mittels Tröpfchenbewässerung versorgt werden. Was wie ein gewöhnliches Hochbeet wirkt, dient moderner Forschung. Ihren Demonstrator haben Jens Eickelmann und sein Kollege Adrian Minde, beide Ingenieure am International Solar Energy Research Center Konstanz (ISC), selbst gebaut. Unterstützt von Johannes Kimmerle, Experte für energieeffizientes Bauen und Photovoltaik an der Hochschule Konstanz, entwickeln sie ein ausgefeiltes Wassermanagementsystem für Agri-PV-Anlagen, die den Lebensmittelanbau mit der Erzeugung von Solarstrom verknüpfen. Mit ihrem Projekt „Aqua ad Agri-PV“, gefördert von der Baden-Württemberg Stiftung, wollen sie den Konkurrenzkampf um Platz und Wasser in der Landwirtschaft entschärfen.

Versuchslabor: Jens Eickelmann, Johannes Kimmerle und Adrian Minde (v.l.n.r.) an ihrem Hochbeet.
Demonstrator: Die Technik wird bald auf ein großes Versuchsfeld am Bodensee übertragen.
Sensor: Das Pyranometer ist ein Präzisionsinstrument zur Messung der Sonneneinstrahlung.

Doppelte Ernte

 

Um die Kraft der Sonne in elektrische Energie zu verwandeln, braucht es neben Sonnenlicht viel Platz, den Agrarflächen bieten. Doch Ackerland ist knapp. Die Lösung: Agri-PV-Anlagen. Photovoltaikmodule (PV), die über die Felder gespannt werden, schützen die Agrarprodukte (Agri) vor Hagel oder Hitze und erzeugen gleichzeitig Energie. „Die Ackerfläche muss also nicht in Grünland umgewandelt werden, wie das bei PV-Freiflächenanlagen der Fall ist“, sagt Johannes Kimmerle. „Diese Technologie kann einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten, ohne wertvolle Ackerböden zu opfern.“ Auch die Landwirte profitieren: Neben Beeren und Kartoffeln ernten sie Solarstrom, den sie selbst nutzen oder verkaufen können. Doch nicht nur Ackerböden sind begehrt. Auch Wasser wird zu Mangelware. Klimaprognosen zeigen, dass sich bis 2050 in Teilen Baden-Württembergs bis zu 20 Prozent weniger Grundwasser neu bilden wird. Projektleiter Jens Eickelmann und seine Kollegen schauen auch auf Länder wie Israel, die seit Jahren mit Trockenheit zu kämpfen haben, oder nach Südfrankreich, wo sich Konflikte um Wasser zwischen Landwirten und Gartenbesitzern zuspitzen. „Wetterextreme wie lange Trockenperioden schränken die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens ein. Hinzu kommen vermehrt Starkregenereignisse, die der ausgetrocknete Boden dann nicht mehr absorbieren kann“, sagt Eickelmann. Um keine Ernteeinbußen hinnehmen zu müssen, braucht es Lösungen. „Die Entwicklung eines nachhaltigen Wassermanagements für die Landwirtschaft ist dringend notwendig“, ergänzt Adrian Minde, der im Projekt für die IT zuständig ist.

 

Der innovative Ansatz der Konstanzer Forscher: Die Agri-PV-Anlage wird zugleich zum Wassermanager. Die Solarpaneele erzeugen Solarstrom, bieten den Pflänzchen Schutz – und fangen Regenwasser auf. Es fließt über Regenrinnen in ein Wasserreservoir. Mithilfe von Tropfschläuchen bewässern die Forscher ihre Pflanzen mit dem Wasser aus dem Reservoir und untersuchen dabei die Wasserverteilung. „Sensoren messen die Temperatur, die Bodenfeuchtigkeit und die Verdunstung“, erklärt Minde. „Diese Daten werden an einen selbst lernenden Algorithmus weitergegeben, der automatisch einen Bewässerungsplan erstellt.“ Ziel ist es, die Pflanzen jederzeit mit genau der richtigen Menge Wasser versorgen zu können. Dabei lernt die künstliche Intelligenz (KI) kontinuierlich aus den Wetterdaten und den Messwerten der Sensoren, um den Wasserverbrauch weiter zu optimieren. „Ist etwa Regen angekündigt, passt sich der Plan automatisch an“, sagt Minde. Die Idee dahinter ist so einfach wie genial: Wenn der Landwirt die Bewässerung nicht mehr manuell steuern muss, sondern das System dies automatisiert übernimmt, kann wertvolles Wasser gespart werden. Zudem verringert sich der Arbeitsaufwand.

 

Solardach: PV-Module über dem Beet schützen die Beeren im Versuchslabor.
Analyse: Sensoren messen permanent Feuchtigkeit und Wärme.
Minirechner: Hier laufen alle Daten für die Analyse zusammen.
Bewässerung: Die Pflanzen sollen künftig automatisiert jederzeit mit genau der richtigen Menge Wasser versorgt werden.

Feldforschung am Bodensee

 

Was die drei Forscher im Hochbeet erproben, werden sie 2025 am Helchenhof in Überlingen auf eine Fläche von über 2.500 Quadratmeter übertragen. Vier Agri-PVReihen mit je vier Pflanzenreihen dienen als Experimentierfeld. Die halb transparenten PV-Module werden in drei bis fünf Metern Höhe aufgeständert. So lassen sie genügend Sonnenlicht für das Pflanzenwachstum durch. Doch es gibt Grenzen: Nicht jede Kulturpflanze ist für den Anbau unter PV-Modulen geeignet. Während Sonderkulturen wie Beeren oder Trauben vom Schutz der Paneele profitieren können, reagieren Pflanzen mit hohem Lichtbedarf wie Mais oder Weizen empfindlicher auf die reduzierte Sonneneinstrahlung. Es braucht Langzeitstudien, um die optimalen Bedingungen für unterschiedliche Kulturen zu erforschen. Das Team untersucht zudem, ob die Pflanzen anders bewässert werden müssen, wenn sie im Schatten der Module stehen.

 

Dazu erweitern Jens Eickelmann, Adrian Minde und Johannes Kimmerle die Agri-PV-Anlage am Helchenhof um Regenrinnen, eine Tröpfchenbewässerungsanlage und viele Sensoren. Diese messen dann auch in der Praxis, wie hoch die Temperatur und wie feucht die Böden sind, wie stark die Sonne scheint und wie viel Wasser verdunstet. Diese Informationen sollen auf einem lokalen Rechner an der Agri-PVAnlage zusammenlaufen. „Die Landwirte können dann über eine Web-Oberfläche die Bewässerung an Dürreperioden optimal anpassen und automatisiert durchführen lassen“, sagt Eickelmann. „Der Idealfall wäre, dass wir nur das gesammelte Regenwasser dafür nutzen.“ Schon im kommenden Jahr soll der Landwirt am Helchenhof über ein Tablet oder Smartphone den Wasserverbrauch der Felder überwachen können. Zudem wird das Team der Hochschule Konstanz (HTWG) rund um Projektleiter Johannes Kimmerle die Forschungsergebnisse ökonomisch und ökologisch bewerten.

 

Gerade am sonnenreichen Bodensee mit seinen Apfelbäumen und Beerensträuchern könnten die Anlagen viel bewirken. Doch die Forscher aus Konstanz sind zuversichtlich, dass Agri-PV, kombiniert mit einem klugen Wassermanagement, in der Zukunft nicht nur am Bodensee eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft spielen wird, sondern weltweit.

Jens Eickelmann leitet das Projekt, das den Konkurrenzkampf um Platz und Wasser in der Landwirtschaft entschärfen soll.
Adrian Minde ist für die IT zuständig. Landwirte sollen künftig über mobile Endgeräte den Wasserverbrauch der Felder überwachen können.
Johannes Kimmerle bewertet die Forschungsergebnisse mit Blick auf die Ressourcennutzung, auf Flächen- und Energieeffizienz und auf die Biodiversität.

Aus der Stiftung – Forschung

Innovationen in der Land- und Forstwirtschaft

„Aqua ad Agri-PV“ ist eines von acht Projekten, die die Baden-Württemberg Stiftung über das Programm Innovative Technologien für Klimaresilienz in der Land- und der Forstwirtschaft fördert. Insgesamt wurden fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Land und Forstwirtschaft sind vom Klimawandel besonders stark betroffen. Es gilt daher, deren Widerstandsfähigkeit gegen die damit einhergehenden Veränderungen zu stärken. Erforderlich sind neue Bewirtschaftungstechniken und innovative Technologien wie der Einsatz von Ultraschallsensoren und künstlicher Intelligenz zur Verbesserung von Anbaumethoden. Vor allem die Digitalisierung kann in diesem Bereich bei Entscheidungen unterstützen und dabei helfen, Prozesse zu optimieren.

www.bwstiftung.de/klimaresilienz