Ein weiterer entscheidender Schritt, um Farbzentren fit für den Einsatz in der Quantentechnologie zu machen, war die Wahl von Silizium statt Stickstoff, um es in Diamanten einzubringen. „Da ein Silizium-Atom größer ist, verdrängt es zwei Kohlenstoff-Atome aus dem Diamant-Gitter und nimmt dann die Position zwischen deren beiden frei gewordenen Plätzen ein“, sagt Kubanek. Die Vorteile von Silizium: Das daraus entstehende Farbzentrum hat exzellente optische Eigenschaften. Und es ist besonders stabil. Das ermöglicht es, auch sehr kleine Diamanten zu verwenden – sogenannte Nanodiamanten.
Silizium soll es richten
Diese Nanodiamanten messen weniger als 100 Nanometer – einen zehntausendstel Millimeter. Jeder verwendete Nanodiamant enthält ein Farbzentrum aus Silizium, das sich damit hochpräzise in einem Resonator positionieren lässt. Hinzu kommt, dass die Diamanten-Winzlinge deutlich kleiner sind als die Wellenlänge des zur Anregung verwendeten Laserlichts – was die Manipulation der Photonen zwischen den Resonator-Spiegeln zusätzlich erleichtert. Und: „Die Herstellung von Nanodiamanten ist weitaus kostengünstiger als die von großen Diamant-Kristallen“, sagt Kubanek.
Das Paket dieser Pluspunkte ermöglicht es, zahlreiche mit Silizium gespickte Nanodiamanten samt Miniatur-Resonatoren gemeinsam auf einem Mikrochip unterzubringen. Eine solche Plattform haben die Ulmer Forschenden in den letzten Jahren entwickelt – „als eine vielseitig nutzbare Ausgangsbasis für quantentechnologische Anwendungen“, betont Kubanek. Zum Beispiel, um abhörsichere Daten per Quantenkommunikation zu übertragen.
Der Kniff mit der Verschränkung
Der dafür entscheidende Kniff ist ein Effekt, der nur im Quantenkosmos auftritt und der aus der Perspektive der gewohnten Alltagswelt bizarr erscheint: die quantenmechanische Verschränkung. Sie verbindet zwei Partikel auf äußerst innige Art miteinander. Manipuliert man eines der beiden verschränkten Teilchen – etwa indem man ihren Zustand per Laserlicht verändert, wirkt sich das unmittelbar auch auf seinen Partner aus – unabhängig davon, wie weit er entfernt ist. Albert Einstein sprach deshalb vor rund 90 Jahren bei diesem – damals nur theoretisch beschriebenen – Phänomen von einer „spukhaften Fernwirkung“.
Inzwischen ist die quantenmechanische Verschränkung durch unzählige Experimente belegt – und lässt sich unter anderem nutzen, um vertrauliche Informationen auf physikalische Weise vor Lauschern geschützt auszutauschen. Wollte jemand unberechtigt den Inhalt einer solchen Botschaft abfangen, würde das die Verschränkung augenblicklich zerstören und sowohl der Absender als auch der Empfänger der Nachricht würden den Lauschangriff bemerken – enorme Sicherheit etwa für Finanztransaktionen oder den Austausch diplomatischer Depeschen.
Photonen aus einem Silizium tragenden Nanodiamanten wären ideale Datenfähren für die Quantenkommunikation. Durch die Wechselwirkung mit ihrem Ausgangsfarbzentrum sind sie mit diesem verschränkt und tragen die Information über den Zustand ihrer Quelle. Verfügt der Empfänger der Lichtteilchen, die sich etwa per Glasfaser senden ließen, auch über entsprechende Nanodiamanten, könnte er die Information durch eine erneute Verschränkungsprozedur auslesen.
Vielfältiges Anwendungspotenzial
„Doch damit ist das Anwendungspotenzial der Technik noch nicht erschöpft“, betont Alexander Kubanek. „Sie ermöglicht es auch, mit verschränkten Partikeln zu rechnen – in einem Quantencomputer. Überdies ebnet sie den Pfad zum Austausch von Daten zwischen Rechnern – etwa, um einen Quantencomputer aus der Ferne zu nutzen oder um mehrere Quantencomputer miteinander zu vernetzen. So entstünde das Gerüst für ein Quanteninternet.