Internationale Spitzenforschung

Quanten-Diamanten

Im Rahmen des Programms Internationale Spitzenforschung hat der Ulmer Physiker Alexander Kubanek mit seinem Team eine Methode entwickelt, um speziell präparierte winzige Diamanten für den Einsatz in Quantentechnologien nutzbar zu machen.

Autor: Ralf Butscher

Diamonds are a girl’s best friend“, sang Marilyn Monroe 1953 in der Hollywood-Verfilmung des Musicals „Blondinen bevorzugt“ – und schaffte damit einen Welterfolg. Was sie nicht wissen konnte: Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwärmen für die chemisch betrachtet besonders stabile kristalline Modifikation von Kohlenstoff. Das gilt umso mehr, seit sie in den 1970er-Jahren entdeckten, dass einzelne Fremdatome, die das Kristallgitter eines Diamanten „verunreinigen“, dem Material ungewöhnliche optische Eigenschaften verleihen können.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen dabei von Farbzentren. Diese wiederum eignen sich exzellent als Bausteine und Wegbereiter für neue Technologien, die auf quantenmechanischen Effekten beruhen – etwa Quantencomputer oder Systeme zur Quantenkommunikation. Damit erschließen Farbzentren ein breites Feld an neuen Anwendungen: vom Quantencomputer, der mit seiner Rechenkraft bisher unlösbare Probleme bewältigen kann, bis hin zur Quantenkommunikation, mit der sich Informationen auf absolut abhörsicherere Weise übertragen lassen.

In einem Forschungsprojekt im Rahmen des Programms Internationale Spitzenforschung der Baden-Württemberg Stiftung hat Prof. Dr. Alexander Kubanek erforscht, wie sich solche Technologien besonders einfach und effizient realisieren lassen. Kernpunkt des Ende 2023 nach drei Jahren Laufzeit abgeschlossenen Projekts „Building operational quantum network technologies“ war es, speziell präparierte Diamanten mit optischen Elementen zu kombinieren.

Ein Doppel aus Fremdatom und Gitterlücke

„Ein Farbzentrum entsteht, indem beispielsweise ein Stickstoff-Atom in das atomare Gitter eines Diamanten eingelagert wird“, erklärt Kubanek, der am Institut für Quantenoptik der Universität Ulm die Arbeitsgruppe Hybride Quantensysteme leitet. „Dabei verdrängt der Stickstoff ein Kohlenstoff-Atom und nimmt dessen Platz ein.“ Gleichzeitig entsteht direkt daneben eine Art Loch im Kristallgitter, da sich ein weiteres Kohlenstoff-Atom aus seiner Bindung löst. Fremdatom und Lücke zusammen bilden dann ein sogenanntes Stickstoff-Vakanzzentrum, das fest im Diamanten verankert ist. Der Clou, der ein solches Gebilde für Quantenphysiker so interessant macht: Es lässt sich durch einen Laserblitz einer bestimmten Frequenz anregen – und nimmt dabei Energie auf, die einen Moment später wieder abgegeben wird: als einzelnes Photon – ein Lichtteilchen. „Diese so erzeugten Photonen haben Eigenschaften, durch die sie sich etwa als Träger von Informationen in einem Quantensystem eignen“, erläutert Alexander Kubanek.

Allerdings: „Die Effizienz, mit der sich auf diese Art nutzbare Photonen erzeugen lassen, ist gering“, stellt der Physiker fest. So braucht es bei einem Stickstoff-Vakanzzentrum
in einem normalen Diamant-Kristall Zehntausende Laseranregungen, bis ein Photon mit den richtigen Eigenschaften und in der gewünschten Richtung ausgesandt wird – mit Blick auf technische
Anwendungen ein Manko. Um es zu beseitigen, feilten Kubanek und sein Team in dreierlei Weise an dem System.

Zum einen ergänzten es die Forschenden durch einen optischen Resonator: „Der besteht im Wesentlichen aus zwei Spiegeln, zwischen denen der Diamant mit dem Farbzentrum platziert wird“, erklärt Kubanek. Von ihm ausgesandte Photonen werden in dem Resonator viele Male hin und her reflektiert, wodurch sie quasi in die passende Form gebracht werden. Dann werden sie aus dem Resonator ausgekoppelt. „Durch diese Prozedur verbessert sich die Ausbeute an nutzbaren Photonen enorm“, sagt der Physiker. Die Grundlagen dieses Vorgehens hat Alexander Kubanek vor seiner Tätigkeit in Ulm an der Harvard University in den USA und am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching erforscht. 

"Der entscheidende Kniff ist ein Effekt, der nur im Quantenkosmos auftritt: die quantenmechanische Verschränkung."
Alexander Kubanek

Ein weiterer entscheidender Schritt, um Farbzentren fit für den Einsatz in der Quantentechnologie zu machen, war die Wahl von Silizium statt Stickstoff, um es in Diamanten einzubringen. „Da ein Silizium-Atom größer ist, verdrängt es zwei Kohlenstoff-Atome aus dem Diamant-Gitter und nimmt dann die Position zwischen deren beiden frei gewordenen Plätzen ein“, sagt Kubanek. Die Vorteile von Silizium: Das daraus entstehende Farbzentrum hat exzellente optische Eigenschaften. Und es ist besonders stabil. Das ermöglicht es, auch sehr kleine Diamanten zu verwenden – sogenannte Nanodiamanten.

Silizium soll es richten

Diese Nanodiamanten messen weniger als 100 Nanometer – einen zehntausendstel Millimeter. Jeder verwendete Nanodiamant enthält ein Farbzentrum aus Silizium, das sich damit hochpräzise in einem Resonator positionieren lässt. Hinzu kommt, dass die Diamanten-Winzlinge deutlich kleiner sind als die Wellenlänge des zur Anregung verwendeten Laserlichts – was die Manipulation der Photonen zwischen den Resonator-Spiegeln zusätzlich erleichtert. Und: „Die Herstellung von Nanodiamanten ist weitaus kostengünstiger als die von großen Diamant-Kristallen“, sagt Kubanek.

Das Paket dieser Pluspunkte ermöglicht es, zahlreiche mit Silizium gespickte Nanodiamanten samt Miniatur-Resonatoren gemeinsam auf einem Mikrochip unterzubringen. Eine solche Plattform haben die Ulmer Forschenden in den letzten Jahren entwickelt – „als eine vielseitig nutzbare Ausgangsbasis für quantentechnologische Anwendungen“, betont Kubanek. Zum Beispiel, um abhörsichere Daten per Quantenkommunikation zu übertragen.

Der Kniff mit der Verschränkung

Der dafür entscheidende Kniff ist ein Effekt, der nur im Quantenkosmos auftritt und der aus der Perspektive der gewohnten Alltagswelt bizarr erscheint: die quantenmechanische Verschränkung. Sie verbindet zwei Partikel auf äußerst innige Art miteinander. Manipuliert man eines der beiden verschränkten Teilchen – etwa indem man ihren Zustand per Laserlicht verändert, wirkt sich das unmittelbar auch auf seinen Partner aus – unabhängig davon, wie weit er entfernt ist. Albert Einstein sprach deshalb vor rund 90 Jahren bei diesem – damals nur theoretisch beschriebenen – Phänomen von einer „spukhaften Fernwirkung“.

Inzwischen ist die quantenmechanische Verschränkung durch unzählige Experimente belegt – und lässt sich unter anderem nutzen, um vertrauliche Informationen auf physikalische Weise vor Lauschern geschützt auszutauschen. Wollte jemand unberechtigt den Inhalt einer solchen Botschaft abfangen, würde das die Verschränkung augenblicklich zerstören und sowohl der Absender als auch der Empfänger der Nachricht würden den Lauschangriff bemerken – enorme Sicherheit etwa für Finanztransaktionen oder den Austausch diplomatischer Depeschen.

Photonen aus einem Silizium tragenden Nanodiamanten wären ideale Datenfähren für die Quantenkommunikation. Durch die Wechselwirkung mit ihrem Ausgangsfarbzentrum sind sie mit diesem verschränkt und tragen die Information über den Zustand ihrer Quelle. Verfügt der Empfänger der Lichtteilchen, die sich etwa per Glasfaser senden ließen, auch über entsprechende Nanodiamanten, könnte er die Information durch eine erneute Verschränkungsprozedur auslesen.

Vielfältiges Anwendungspotenzial

„Doch damit ist das Anwendungspotenzial der Technik noch nicht erschöpft“, betont Alexander Kubanek. „Sie ermöglicht es auch, mit verschränkten Partikeln zu rechnen – in einem Quantencomputer. Überdies ebnet sie den Pfad zum Austausch von Daten zwischen Rechnern – etwa, um einen Quantencomputer aus der Ferne zu nutzen oder um mehrere Quantencomputer miteinander zu vernetzen. So entstünde das Gerüst für ein Quanteninternet.

 

„Die Hauptanwendung könnten künftig jedoch Speichermedien sein, die quantenmechanisch kodierte Daten vergleichsweise lange aufbewahren können“, meint der Ulmer Forscher. Das Konzept basiert darauf, die Verschränkung in einem Nanodiamanten etwa mit weiteren Lasern auf Atomkerne zu übertragen. „Die sind besonders gut gegen äußere Einflüsse abgeschirmt, die darauf gespeicherten Daten wären deshalb besonders langlebig“, erklärt Kubanek. Die Stärke der von ihm und seinem Team entwickelten Methode sieht der Physiker in der großen Flexibilität und der breiten Palette an potenziellen Anwendungen – „inklusive der Aussicht auf überraschende Einsatzmöglichkeiten, die sich heute noch gar nicht absehen lassen.“

Um es nicht nur bei „Möglichkeiten“ zu belassen, arbeiten die Forschenden auch nach dem Ende des Projekts weiter an der Methode. Am Ende könnte als letzter Schritt hin zu einem kommerziellen Produkt die Ausgründung eines Start-up-Unternehmens stehen. Das Fundament dafür ist bereits gelegt – denn die neu entwickelte Technik ist inzwischen durch die Baden-Württemberg Stiftung zum Patent angemeldet worden.

Die Verbindung zur Stiftung bleibt erhalten. Seit Anfang 2024 läuft ein weiteres Forschungsprojekt im Rahmen einer neuen Ausschreibung des Programms Internationale Spitzenforschung. Ziel ist es, einzelne Atome in einem zweidimensionalen – atomar dünnen – Material als Photonen-Quellen nutzbar zu machen. Dieses System bietet ähnliche Chancen wie mit Silizium beladene Nanodiamanten – würde aber, anders als diese, ohne eine aufwendige Kühlung auskommen: ein deutlicher Pluspunkt für mögliche technische Anwendungen. „Doch es sind noch viele Fragen offen“, sagt der Ulmer Forscher. Die Antworten sollen aus dem neuen Projekt hervorgehen. •

Alexander Kubanek

machte sein Diplom in Nanostrukturtechnik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und promovierte 2010 in Physik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Er absolvierte mehrjährige Forschungsaufenthalte an der University of Auckland in Neuseeland sowie an der Harvard University in Cambridge (USA). 2014 wechselte er als Carl-Zeiss-Stiftungsprofessor an das Institut für Quantenoptik der Universität Ulm, wo er seit 2018 als Ordinarius tätig ist. Sein Forschungsbereich sind hybride Quantensysteme.

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