Wie Pflanzen klingen
Dass Pflanzen Geräusche machen, ist keine neue Entdeckung. Doch erst in den vergangenen Jahren haben wissenschaftliche Teams begonnen, sich mit den Mechanismen dahinter zu beschäftigen. „Es ist ein rein mechanischer Vorgang“, erklärt Selle. Daher gehe er zurückhaltend mit der Aussage um, dass Pflanzen tatsächlich „kommunizieren“ würden. Über die Blätter verdunstet Wasser, was einen Sog im Wasserleitgewebe der Pflanze erzeugt. Normalerweise ziehen die Wurzeln Wasser nach, um diesen Verlust auszugleichen. Doch bei Wassermangel entsteht ein starker Unterdruck, durch den sich kleine Luftbläschen bilden. Platzen diese, vibriert die Pflanze und erzeugt Töne, die wie ein kurzes Klicken klingen. Israelische Forschende konnten diese charakteristischen Signale 2023 erstmals aufzeichnen und für das menschliche Gehör „übersetzen“. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen will Selle die Töne der Natur analysieren. Für die ersten Messreihen räumte der Forscher ein Zimmer im Institut leer. Mit Schaumstoffmatten dämpfte er den Versuchsraum, um die Messelektronik von der Umgebung abzuschirmen. „Da die Töne der Pflanzen so subtil, fein und kurz sind, ist es unglaublich schwer, sie zu erfassen“, sagt Selle. Nebengeräusche könnten die Ergebnisse verzerren. Kein elektronisches Gerät darf in der Nähe in Betrieb sein, wenn die Messung läuft. Bevor Selle mit dem Aufzeichnen der Pflanzentöne beginnen konnte, waren zudem unzählige Tests ohne Pflanzen nötig, um Grenzwerte zu messen und sicherzustellen, dass die später aufgezeichneten Geräusche wirklich von Tomate und Chili stammen. Für die Aufnahmen verwendet der 35-Jährige neben klassischen Kondensatormikrofonen winzige MEMS-Mikrofone. Die Abkürzung MEMS steht für mikroelektromechanische Systeme, wie sie bei Hahn-Schickard konstruiert, produziert und integriert werden. Diese kleinen Ultraschallsensoren bestehen aus einer Membran, die Schallwellen in elektrische Signale umwandeln kann, und einem Verstärker. Als „digitale Ohren“ erfassen die Sensoren die akustischen Signale, die später am Monitor dargestellt und ausgewertet werden.