Wie gehen Sie selbst mit solchen Belastungen um?
HS Im Einsatz durchlaufen wir immer wieder mehrere Phasen. Zu Beginn agiert man intuitiv – man erfasst die Situation und tut, was notwendig ist und was intensiv eingeübt wurde. Gerade in unserem Metier ist es wichtig, Mechanismen zur Stressvermeidung und -bewältigung zu erlernen, um sich während des Einsatzes aus der Stresssituation zu lösen. Wenn dann später etwas Ruhe eingekehrt ist, wird man sich der menschlichen Tragik bewusst. Manche Einsätze haben mich lange verfolgt. Nach belastenden Erlebnissen war es für mich hilfreich, mit der Familie, mit Freunden oder mit Kolleginnen und Kollegen über das Erlebte zu sprechen.
Was haben Sie in all den Jahren über die Resilienz der Menschen – insbesondere in Baden-Württemberg – gelernt?
HS Sowohl in der Pandemie als auch während der Flüchtlingswelle konnten wir alle beobachten, dass die Menschen bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen, zu helfen und Lösungen zu finden. Mich hat beeindruckt, wie schnell etwa die Beschäftigten in den Behörden vom normalen Arbeitsmodus in den Krisenmodus gewechselt sind, was natürlich mit einer extremen Mehrbelastung einherging. Auch in der Bevölkerung war die Hilfsbereitschaft groß und es wurde an vielen Stellen selbstlos mitangepackt. Es ist doch schön zu wissen, wie groß der Zusammenhalt in solchen Krisenzeiten sein kann. Dort, wo sich viele Menschen im Ehrenamt einbringen, wie bei uns in Baden-Württemberg, ist dies wohl besonders ausgeprägt.
Wo wir über Krisen sprechen: Welche Bedrohungsszenarien sehen Sie derzeit für die Bevölkerung? Auf welche kritischen Situationen muss sich ein Land wie Baden-Württemberg vorbereiten?
HS Aktuell beschäftigen sich Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement intensiv mit den Auswirkungen des Klimawandels. Wir sprechen hier nicht nur von Waldbränden, auch Niedrigwasserstände der Binnenwasserstraßen und Wassermangel haben uns bereits in den letzten Jahren gefordert. Im Sommer sind die Menschen vor allem in den überhitzten Städten gesundheitlich belastet und benötigen vermehrt die Hilfe des Rettungsdienstes. Wir sollten auch auf weitere Pandemien vorbereitet sein. Und nicht zuletzt drohen uns Cyberattacken, Terrorangriffe und kriegerische Auseinandersetzungen, auch in Europa. Insgesamt – und das zeigen all diese Szenarien – stehen wir vor der großen Herausforderung, dass die Welt sich immer stärker vernetzt und wir dadurch verletzlicher werden.
Wie muss der Bevölkerungsschutz auf diese wachsende Komplexität und deren Folgen reagieren?
HS Wenn die Bedrohungslage komplexer wird, dann müssen wir auch in der Gefahrenabwehr und im Krisenmanagement die Möglichkeiten einer besseren Vernetzung nutzen. Diese Vernetzung wurde in den letzten Jahren sehr effizient vorangetrieben, gerade auch in Baden-Württemberg. Krisen und Gefahrenlagen sind nicht mehr nur Sache des Bevölkerungsschutzes. Sie werden ressort- und sektorenübergreifend angegangen. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen: Bei einem großen Waldbrand reicht es nicht aus, die Feuerwehr zu rufen. Schnell treten Fragen auf, ob im gefährdeten Gebiet der Schulbetrieb eingestellt werden muss, ob vielleicht Bahnverbindungen einzustellen sind oder ob Gewerbebetriebe ihre Produktion unterbrechen müssen. Fragen, die neben dem Katastrophenschutz auch die Verantwortlichen aus anderen staatlichen Bereichen betreffen. Zudem machen Krisen nicht an den Landes- und Staatsgrenzen halt. Wir müssen kommunen-, länder- und staatenübergreifend denken und handeln.