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Mehr als eine Milliarde Euro hat die Baden-Württemberg Stiftung seit ihrer Gründung investiert. Wie haben die Menschen davon profitiert? Was haben sie mit der finanziellen Unterstützung und ihren Preisgeldern angefangen? Zwölf Beispiele.

Isabel Stettin
Lesedauer: 6 Minuten

„Wir haben ein Start-up gegründet, arbeiten mit Unternehmen zusammen und hoffen, dass unsere Erfindung marktreif wird.“

Tabea Hosch und Magnus Spang, beide 17, besuchen das Immanuel-Kant-Gymnasium Tuttlingen. Mit ihrem am Schülerforschungszentrum Tuttlingen entwickelten Projekt „Biomodifizierte selbstheilende Baustoffe“ überzeugten sie beim Artur Fischer Erfinderpreis 2021 in der Kategorie Klasse 8 bis 10 die Jury.

„Als wir vor zwei Jahren begonnen haben, bedeutete das Projekt für uns vor allem Spaß. Wir arbeiteten an manchen Tagen gut fünf Stunden daran, experimentierten viel. Das Ergebnis: ein Schutz für Baustoffe, ressourcen- und klimaschonend. Beton wird damit zum Beispiel vor Rissen geschützt. Unsere Mühen haben sich gelohnt. Mit dem Preisgeld können wir die Entwicklung vorantreiben, Materialien besorgen. Durch den Preis haben sich auch Türen in die Industrie geöffnet. Ob wir damit später Geld verdienen, ist nicht entscheidend. Im Vordergrund steht für uns die Forschung.“

Der Artur Fischer Erfinderpreis prämiert Erfindungen und zeichnet im Rahmen des Schülerwettbewerbs Klassen und einzelne Schülerinnen und Schüler aus. Das Preisgeld beträgt je 2.000 Euro. Neben der Preisverleihung bietet der Wettbewerb ein Forum zum Austausch mit Unternehmen. In einer weiteren Kategorie können sich auch erwachsene Erfinder bewerben. 2021 fand die 11. Verleihung statt.

„Geld für Kulturprojekte zu bekommen, ist herausfordernd. Dank der Unterstützung bringen wir Jugendliche zusammen.“

Tamay Zieske, 35, von Culture Node e. V. aus Offenburg koordiniert grenzüberschreitende Projekte – drei davon gefördert durch die Programme Nouveaux horizons und Perspektive Donau.

„Zwischen Mai und Oktober brachte unser European Hip Hop Exchange 21 rumänische, deutsche und französische Künstlerinnen und Künstler dreimal zusammen. Hierfür bekamen wir 7.000 Euro. Im Projekt Reflexion, unterstützt mit 20.000 Euro, arbeiten sechs Monate 20 Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Württemberg und dem Elsass zusammen. Das Geld fließt in Fahrt- und Verpflegungskosten, in Honorare, Material und eine professionelle Dokumentation. Wir ermöglichen damit DJ- und Graffitiworkshops, kaufen Materialien. Dass die Liebe zur Hip-Hop-Kultur Jugendliche verbindet, steht für mich im Mittelpunkt.“

Projekte aus Bildung, Kultur und Zivilgesellschaft werden in den Programmen Nouveaux horizons und Perspektive Donau mit jeweils bis zu 50.000 Euro gefördert. Bei Nouveaux horizons werden neben Projekten aus Deutschland und Frankreich auch trilaterale Projekte gefördert.

„Ohne die Förderung wäre mein Weg anders verlaufen.
Darum will ich heute etwas zurückgeben.“

Simmuz Doymaz, 26, Student der Elektround Informationstechnik am KIT in Karlsruhe. Er war Stipendiat von Talent im Land (TiL).

„2006 kam ich mit meiner Familie aus der Türkei nach Deutschland und landete auf der Hauptschule. Sechs Jahre lang hatte ich das das Glück, von Talent im Land begleitet zu werden: 150 Euro bekam ich monatlich. Davon kaufte ich defekte Geräte und reparierte sie: Computer, Spielekonsolen, Handys. So habe ich unheimlich viel technisches Verständnis gewonnen. Zudem habe ich mir Nachhilfe geleistet, für monatlich 200 Euro. Später habe ich das Technische Gymnasium besucht und studiert. Mit ‚Sprungbrett Bildung e.V.‘ fördere ich nun mit Studierenden und anderen TiL-Alumni junge Menschen, die auf ihrem Schulweg soziale Hürden überwinden müssen.“

Das Stipendienprogramm Talent im Land unterstützt seit 2003 mehr als 750 begabte Schülerinnen und Schüler, die Hürden zu überwinden haben. Finanzielle Förderung, Seminare und Beratung helfen den Jugendlichen auf ihrem Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife.

„Die Unterstützung ist für mich so wertvoll, weil es nicht nur um Geld geht. Das Netzwerk erweitert meinen Horizont.“

Dr. Leif Brändle, 32, ist Stipendiat im Eliteprogramm für Postdocs. Er forscht am Lehrstuhl für Unternehmensgründungen und Unternehmertum der Universität Hohenheim zu sozialer Ungleichheit.

„Ein Großteil des Gelds fließt in mein Team, etwa in die Stelle der Doktorandin Anna-Lena Rönnert. Weitere Mittel fließen in Reisekosten, etwa für Konferenzen. Wir erforschen, welche Rolle die soziale Herkunft im Unternehmertum spielt. Vom Tellerwäscher zum Millionär – Aufstiegschance oder Mythos? Arbeiterkinder verdienen laut Studien bis zu 17 Prozent weniger – bei gleicher Leistung. Soziale Ungleichheit ist für mich eines der größten Probleme unserer Zeit, eine Herausforderung für gesellschaftlichen Zusammenhalt, politische Stabilität und ökonomisches Wachstum.“

Mit dem Eliteprogramm für Postdocs unterstützt die Baden-Württemberg Stiftung exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf ihrem Weg zur Professur, indem sie ihnen eigenverantwortlich verwaltete Forschungsprojekte ermöglicht. Über maximal drei Jahre werden bis zu 150.000 Euro für Personal-, Reise-, Sach- und Investitionskosten übernommen.

„Der Preis hat uns bestärkt und motiviert. Das Geld ermöglicht die Fortsetzung unserer Arbeit.“

Xenia Gauß, 21, und Amjad Othman, 19, gehen auf die Ludwig-Erhard-Schule Pforzheim. Beim beo-Wettbewerb haben sie mit ihrem digitalen Projekt gewonnen: 1.500 Euro.

„Der vom Kultusministerium ausgerichtete Wettbewerb ‚Nachhaltiges Wirtschaften‘ sollte wegen der Pandemie ausfallen. Uns kam die Idee, ihn virtuell umzusetzen: mit einer digitalen Plattform und Lehrvideos. Gesagt, getan – gewonnen! Unser Projekt siegte beim beOnline. Von unseren 1.500 Euro Preisgeld haben wir zusammen gegrillt und den Erfolg gefeiert. Den Großteil setzten wir aber für Lizenzen ein: für Software wie Photoshop. So können die Jahrgänge nach uns das Projekt weiterführen. Uns war es wichtig, nachhaltig zu investieren, damit möglichst viele davon profitieren.“

Mit dem beo-Wettbewerb – aktuell in seiner digitalen Variante beOnline – zeichnet die Baden-Württemberg Stiftung jedes Jahr besondere Kreativität, Eigeninitiative und nachhaltiges Engagement an berufsbildenden Schulen aus. Preisträgerinnen und Preisträger der insgesamt fünf Kategorien werden von einer Fachjury ausgewählt.
 

„Interdisziplinäre Forschung ist oft schwer zu finanzieren oder mit starren Vorgaben verbunden. Bei dieser Förderung sind wir frei.“

Prof. Dr. Heiko Paulheim, 45, ist Informatiker und Inhaber des Lehrstuhls für Data Science an der Universität Mannheim. Er forscht zu den gesellschaftlichen Auswirkungen Künstlicher Intelligenz (KI) und leitet zwei Forschungsprojekte, finanziert von der Baden-Württemberg Stiftung.

„Wir forschen zu rechtlichen und technischen Fragen der Künstlichen Intelligenz – und verbinden dabei verschiedene Bereiche. Verantwortungsvolle KI, ihre gesellschaftliche Bedeutung, die ethischen Fragen – all das wollen wir Studierenden vermitteln. Auch dank der Förderung durch die Baden-Württemberg Stiftung haben wir nun die Chance, eine Juniorprofessur zu besetzen, für die sich nicht nur Forschende aus der Informatik, sondern auch aus Soziologie, Medizin und Ethik beworben haben. Für unsere unabhängige Forschung ist die Förderung entscheidend.“

Anwendungsbereiche der Projekte im Programm Verantwortungsvolle Künstliche Intelligenz reichen vom Gesundheitssektor hin zu autonomem Fahren und der Mensch-Maschine-Kommunikation. Es geht um rechtliche Fragen, Transparenz oder den Schutz der Privatsphäre. Zehn Projekte werden mit mehr als 5,8 Millionen Euro gefördert.

„Das Preisgeld glich weggebrochene Einnahmen aus. Es war ein Hoffnungsschimmer in einer herausfordernden Zeit.“

Matthias Bergmann, 43, einer von sieben Gewinnerinnen und Gewinnern des Klangspektrum-Wettbewerbs, hat mit dem Preisgeld sein Instrument abbezahlt – und neue Hoffnung geschöpft.

„Konzerte wurden wegen Corona abgesagt, Veranstaltungen gestrichen und damit blieben Honorare aus. Dank einer halben Stelle im Orchester in Kaiserslautern waren meine Lebenshaltungskosten gedeckt. Dennoch war es knapp. Der Video-Wettbewerb war eine wichtige Motivation. 1.000 Euro gab es bereits für die Teilnahme. Und obendrauf noch 3.000 Euro für meinen ersten Platz in der Kategorie Klassik. Zuvor hatte ich mir einen Traum erfüllt und ein Barock-Cello gekauft. Das Geld war ein wichtiger Zuschuss, um es bezahlen zu können – und der Preis hat mir Vertrauenngeschenkt, dass es wieder bergauf geht.“

Das Programm Klangspektrum der Baden-Württemberg Stiftung in Zusammenarbeit mit der Eva Mayr-Stihl Stiftung und dem Südwestrundfunk (SWR) unterstützte Musikerinnen und Musiker während der Corona-Pandemie. Es gab mehr als 1.000 eingereichte Beiträge und sieben Hauptpreise in fünf Genres.

„Die Unterstützung bedeutet mir viel. Die Förderung eröffnet neue Möglichkeiten.“

Professor Dr. Fedor Jelezko, 51, leitet das Institut für Quantenoptik an der Universität Ulm und betreut dort mehrere Forschungsprojekte. Einige davon fördert die Baden-Württemberg Stiftung.

„Schon 2004 wurde ich als Postdoc im Eliteprogramm von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert, in einer Phase, als Quantentechnologie noch wenig verbreitet war. Damals hat es mich motiviert, weiterzumachen. Quantensensorik in der Medizin ist mein aktuelles Projekt, das von der Stiftung finanziert wird. Das Besondere ist, dass es interdisziplinär ist – ein neues Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Quantentechnologie und Biomedizin. Vielen Förderern sind solche Projekte zu riskant. Ziel unseres Vorhabens ist es, Erkrankungen wie Krebs schneller erkennbar zu machen.“

Mit dem Programm Internationale Spitzenforschung fördert die Baden-Württemberg Stiftung die Kooperation zwischen im Land ansässigen exzellenten Forschergruppen und internationalen Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Das stark nachgefragte themenoffene Programm wird 2022 bereits zum achten Mal ausgeschrieben, es stehen in der neuen Ausschreibungsrunde 2,5 Millionen Euro zur Verfügung.

„Die Förderung hat es uns ermöglicht, unsere Kreativität frei auszuleben.“

Ryan Holz, 18, und Ksenija Kabakova, 19, haben im Rahmen von PUSH DICH! Mit dem Projekt „Creative Freedom“ 2021 eine Modenschau am Freihof-Gymnasium Göppingen auf die Beine gestellt. Sie erhielten 2.000 Euro – und 1.500 Euro für ein Folgeprojekt 2022.

„Mode fasziniert uns. Sie ist eine Ausdrucksform der Persönlichkeit, sie kann sich immer wieder wandeln. PUSH DICH! war die Starthilfe für unsere erste Modenschau. Ohne dieses Geld hätten wir ein solches Projekt niemals gewagt, nie diese Erfahrungen gemacht – und dabei haben wir so viel gelernt. Wir konnten teure Stoffe für unsere Entwürfe anschaffen, einen DJ und Fotografen für die Modenschau engagieren. Für uns wäre das alleine nicht bezahlbar gewesen. Was wir gelernt haben, wollen wir später auch beruflich umsetzen – und im Bereich Mode arbeiten. Derzeit planen wir die nächste Show.“

PUSH DICH! Einfach loslegen und machen! Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, die Spaß an Kunst und Kultur haben, können ihr eigenes Kreativprojekt umsetzen – mit finanzieller Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung.

„Unsere ganze Schulgemeinschaft hat gewonnen – als Team. Wir können den Schulalltag nun noch nachhaltiger gestalten.“

Dominic Arbogast, 34, und Stefan Wehner, 36, von der Merian-Realschule in Ladenburg wurden 2021 mit dem Lehrerpreis ausgezeichnet, weil sie ihre Schülerinnen und Schüler für Umweltschutz begeistern. Das Preisgeld: 25.000 Euro. „Diese Auszeichnung haben wir alle zusammen erarbeitet. Vom Preisgeld haben wir unsere Ansätze ausgebaut: Im großen Schulgarten, in dem wir Küken züchten und Gemüse anbauen, haben wir neue Beete eingerichtet, Wege gestaltet, eine Bewässerungsanlage angeschafft. Für den Technikunterricht haben wir in eine computergesteuerte Fräsmaschine investiert. Um
Plastikflaschen zu vermeiden, stellen wir Trinkwasserspender auf. Und wir haben neue Spiel- und Sportgeräte wie Longboards gekauft. Schön ist, dass der Lehrerpreis würdigt, wie viel Verantwortung die Schülerinnen und Schüler übernehmen.“

Der Lehrerpreis der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg wird an Lehrkräfte verliehen, die sich in besonderem Maße im Bereich Bildung engagieren und Schülerinnen und Schülern den Stellenwert von sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit vermitteln.

„Umweltschutz liegt mir am Herzen und Bienen finde ich spannend. Darum wollte ich mehr über sie erfahren.“

Hanna Völklein, 14, besucht die 9. Klasse des Königin-Olga-Stift-Gymnasiums in Stuttgart und hat im Ferienprogramm von proBiene viel über Umweltschutz erfahren.

„Das Ferienprogramm ‚bee in action‘ hatte mich neugierig gemacht. Wir haben Bienen gestreichelt, Honig direkt aus der Wabe probiert und viel darüber gelernt, wie Bienen leben und warum sie so wichtig sind für die Natur. Ich war überrascht, wie zahm die Bienen sind, obwohl ich anfangs etwas Angst vor Stichen hatte. In der Schule bleibt vieles theoretisch. Hier an den Bienenständen auf dem Gelände von Stadtacker e.V. können wir vieles selbst ausprobieren. Zum Beispiel haben wir aus Erde und Wildblumensamen kleine ‚Samenkugeln‘ gebastelt – neues Futter für die Bienen wird daraus wachsen.“

proBiene, das freie Institut für ökologische Bienenhaltung, vermittelt Wissen an Schulen und Kindergärten und in Kursen. Mit dem Programm Nachhaltigkeit lernen – Kinder gestalten Zukunft finanziert die Baden-Württemberg Stiftung in Kooperation mit der Heidehof Stiftung eines dieser Projekte von Erzieher und Geoökologe Sebastian Heintschel.
 

„Die Schülerinnen und Schüler warden selbst aktiv, lernen für ihre Zukunft, bekommen unbezahlbare Einblicke.“

Eva Grech, 53, ist Konrektorin an der Anne-Frank-Realschule Laichingen. Ihre Schülerinnen und Schüler sammeln wichtige Erfahrungen mit dem Programm COACHING4FUTURE und entdecken Ideen für ihre Zukunft.

„Berufsorientierung ist uns wichtig. Doch Betriebe zu besuchen, ist aufwendig und mit Kosten und Fahrtzeit verbunden – gerade im ländlichen Raum. Darum sind die Angebote der Baden-Württemberg Stiftung für uns ein Geschenk. Sie bringen die Arbeitswelt in die Klassenzimmer. Ich beobachte, wie fasziniert die Kinder und Jugendlichen von den mobilen Lernstationen sind: expedition d begeistert mit dem interaktiven spielerischen Ansatz. DISCOVER INDUSTRY gibt Einblicke in naturwissenschaftliche Berufsfelder. Besonders wichtig aus meiner Sicht ist, dass sich dieses Angebot an alle Schulformen richtet. Wir sind dankbar, dass wir es kostenlos nutzen können.“

Das Programm COACHING4FUTURE informiert Schülerinnen und Schüler über berufliche Möglichkeiten im MINTBereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). expedition d: In einem Truck lernen sie digitale Schlüsseltechnologien kennen. Das Roadshow-Fahrzeug DISCOVER INDUSTRY bringt die Welt der Industrie direkt an Schulen.