Das Schwinden der Moore
Auf etwa vier bis fünf Prozent der Fläche Deutschlands sind Moore beheimatet. Doch lediglich zwei Prozent davon sind noch in natürlichem Zustand. Um Weideland, Bau- und Ackerflächen zu gewinnen, wurden in den vergangenen beiden Jahrhunderten 95 Prozent der deutschen Moore entwässert und trockengelegt. Zwei Drittel der ehemaligen Moore werden heute landwirtschaftlich genutzt. Seit Jahrhunderten wird Torf zudem abgebaut, er landet als Energieträger in Kraftwerken oder als Erde in Blumentöpfen. Auch am Kaltenbronn ist ein Großteil der Moorfläche verschwunden. Um das Moor für Waldbau zu nutzen, waren im 18. Jahrhundert Entwässerungsgräben angelegt worden – auf einer Länge von mehr als 250 Kilometern. Das Experiment scheiterte, doch die Gräben blieben und entwässern das Moor bis heute. Ohne Nässe kann sich neuer Torf nur mehr schwer bilden. Und auch der Klimawandel macht dem Kaltenbronner Hochmoor zu schaffen.
Manchmal führt Renate Fischer Besuchergruppen mit einem Stethoskop zu einer der Moorbirken, die am Kaltenbronn die Pfade säumen. Hält sie das Abhörgerät an den weißen Stamm, kann man besonders im Frühling dem Rauschen des Wassers lauschen. Bis zu 500 Liter am Tag saugen die Bäume durch ihre Wurzeln nach oben. Wasser ist auch das Lebenselixier des Moors. „Hohe Niederschlagsraten, niedrige Temperaturen und ein saurer, nährstoffarmer Boden – das sind die optimalen Voraussetzungen für Hochmoore“, erklärt Fischer. Denn die Moospflanzen, die den Boden bedecken, mögen es nass und kühl. „Das Torfmoos speichert immense Wassermengen“, sagt die Expertin. „Somit können Moore auch bei Hochwasser für Schutz sorgen.“ Die Moose nehmen das 30-Fache ihres eigenen Gewichts an Wasser auf. Würde ein Mensch, der 50 Kilo wiegt, so viel Wasser in seinem Körper speichern, würde er eineinhalb Tonnen Gewicht auf die Waage bringen.
Besonders ihre jungen Besuchergruppen lässt die Naturpädagogin Fischer alles selbst erleben: Schulklassen zeigt sie mit tintengefärbtem Wasser, wie schnell das Moos das Wasser aufsaugt und dunkel wird. Mit einer Spritze lässt sie die Schülerinnen und Schüler das Wasser aus dem Moos drücken. Da es in diesem Jahr neben Hitze auch viel Regen gab, funktioniert das zurzeit gut. Doch die zuletzt heißen Sommer haben auch am Kaltenbronn Spuren hinterlassen. Der Südwesten Baden-Württembergs zeichnet sich laut Daten des Deutschen Wetterdiensts in den vergangenen Jahren durch Hitzerekorde und Dürren aus. In niederschlagsarmen Sommern sind die Moospflanzen trocken und ausgebleicht, sie zerbröseln bei Berührung. Wird es immer heißer und trockener, sind die Moore in Deutschland und Europa in Gefahr – mit dramatischen Folgen für das Klima.