Antriebskraft zum Abheben
Das Geheimnis liegt unter Wasser: das Hydrofoil, eine Tragfläche unterhalb des Surfboards, die sich im Wasser so verhält wie Flügel in der Luft. Es besteht aus einem Mast, der unter dem Brett angeschraubt wird, und einer sogenannten Fuselage: einer schmalen, spindelförmigen Stange, die längs zwei Tragflügel miteinander verbindet. Der Frontflügel sorgt für den Auftrieb, der durch Druckunterschiede an der Ober- und Unterseite entsteht. Da Wasser eine höhere Dichte als Luft hat, erzeugen selbst kleine Flügel erstaunliche Kräfte. Der Heckflügel stabilisiert das Board. Über die Länge des Masts ragt er aus dem Wasser. Dadurch verringert sich der Widerstand im Wasser und das Board erreicht seine Gleitgeschwindigkeit.
Oliver Breuer, selbst leidenschaftlicher Wassersportler, erinnert das Fahrgefühl an Snowboarden im Tiefschnee, an Freiheit, Abenteuer. Er steckte die sechs Schüler seiner Technik-AG mit seiner Begeisterung an. Maximilian und Moritz interessieren sich für Naturwissenschaften und Technik, wollen Zusammenhänge verstehen. Darum unterstützen sie im Technikteam seit Jahren Schulveranstaltungen. Bei Abschlussfeiern, Theater- oder Musikaufführungen kümmern sie sich um Licht und Ton, den Auf- und Abbau. Oliver Breuer hat die Gruppe vor 15 Jahren gegründet. Das Hydrofoiling-Projekt ist für ihn auch eine Belohnung für die Schüler. „Das Interesse, ihr riesiges Engagement, ihre Ideen, wie sie sich einbringen, beeindrucken mich“, sagt Breuer. Mit Wassersport hatten die meisten aus der Technik-AG zuvor kaum Berührungspunkte. „Für uns ist besonders, etwas ganz Eigenes zu entwickeln“, sagen Maximilian und Moritz.
Mehr als zwei Jahre haben sie experimentiert, sich mit der Physik und der Technik hinter Hydrofoiling befasst. „Durch die Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung wurde das Projekt erst möglich“, sagt Breuer. „Die Materialkosten, die vom Programm übernommen werden, sind enorm.“ Bevor sie sich zum ersten Mal ins Wasser stürzen konnten, warteten viele Fragen: Wie wirken sich die Fläche und die Form der Front- und Heckflügel auf das Fahrverhalten aus? Welchen Einfluss hat die Länge von Mast und Fuselage? Wie wichtig ist das Material? Sie haben Präsentationen ausgearbeitet, sich mit Luft- und Reibungswiderstand auseinandergesetzt, mit dem Strömungsverhalten – und der Geschichte von Hydrofoiling, den Vorläufern. Die ersten Ansätze der Technologie entstanden Ende des 19. Jahrhunderts, um die Geschwindigkeit von Booten zu erhöhen, ohne mehr Kraftstoff zu verbrauchen. Der italienische Luftschiffkonstrukteur Enrico Forlanini entwickelte um 1900 das erste einsatzfähige Tragflügelboot: Angetrieben mit einem Propeller schwebte er damit über den Lago Maggiore. Foils werden heute bei Schiffen, Booten und seit Kurzem bei Sportgeräten eingesetzt. Sie verringern den Wasserwiderstand um mehr als die Hälfte und steigern die Effizienz. Das spart Energie und schont die Umwelt.
Bevor sie ihre eigenen Modelle testen können, müssen die Schüler das Surfen mit professionellen Hydrofoils ausprobieren, um mit den Abläufen vertraut zu werden. Nach Moritz ist Maximilian an der Reihe. „Mir fehlt noch ein wenig Übung“, sagt er. Es ist windig an diesem Tag, die Wellen sind stark. Das Brett treibt hin und her. Keine einfachen Bedingungen. Immer wieder rutscht Maximilian beim Versuch ab, sich nach oben zu stemmen. Er schwimmt wieder zum Board, versucht es erneut.
Was bei Erfahrenen mühelos aussieht, erfordert viel Technik. „Bis man sich auf dem Brett halten kann, können Tage vergehen“, sagt Breuer. „Es ist wie Einradfahren, nur dass wir gleich in die Vollen müssen: Festhalten geht nicht.“ Eine Geduldsprobe für Maximilian. Doch er gibt nicht auf, bis es ihm zumindest für Sekunden gelingt. „Zum ersten Mal auf dem Brett zu stehen ist besonders, den Wind zu spüren, ein Gefühl dafür zu entwickeln“, sagt der Jugendliche begeistert. Oliver Breuer begrüßt Maximilian mit Handschlag auf dem Boot. „Moritz und Maximilian haben in kürzester Zeit riesige Fortschritte gemacht.“