Realistischer Löschangriff
Die Gruppenführer öffnen die Aluminiumrollläden an den Seiten der drei Löschfahrzeuge, die sich um den Weiher positioniert haben. Dahinter verbergen sich allerhand Gerätschaften. Für einen Laien ein Gewirr aus Material, die jungen Feuerwehrmänner und -frauen wissen jedoch auf Anhieb, was benötigt wird: Mit Helm, Sicherheitsschuhen und blau-orangener Uniform ausgestattet, wuchten sie aus dem Fahrzeug zügig drei schwere schwarze Schläuche, die sie miteinander verbinden. Das Ende dieser Saugschlauchleitung wird mit einem Schutzkorb versehen, der aussieht wie ein großes Nudelsieb. Er soll verhindern, dass Fische, Schlamm oder Pflanzen eingesaugt werden und die Leitung verstopfen.
Dann sichern die Trupps die Saugschlauchleitung noch mit einer Halteleine, damit der Schlauch nicht im Weiher verloren geht und wieder herausgezogen werden kann. Eine Seite der Leitung koppeln die Feuerwehrleute mit der Fahrzeugpumpe, die andere Seite hängt im Wasser. Damit möglichst viele Kinder gleichzeitig üben können, werden über einen Verteiler mehrere dünnere Schläuche angeschlossen. Jetzt noch die Pumpe anwerfen – und dann heißt es: Wasser marsch!
Die zuvor platten Schläuche, die auf dem Waldboden ausgerollt wurden, füllen sich blitzschnell mit Wasser, ploppen zu dicken festen Leitungen auf – und die jungen Feuerwehrleute beginnen zu löschen, was das Zeug hält. Sie stehen konzentriert am Ufer und halten mal aufs Wasser, mal in den Wald. Man sieht ihnen die Anstrengung an, denn der Wasserdruck ist hoch. Mehr als vier Bar, wie ein Blick auf die Anzeige der Pumpe verrät. Deshalb halten immer mindestens zwei der jungen Brandhüter zusammen einen Schlauch. Selbst bei den Erwachsenen in der Einsatzabteilung, erzählt Hillebrecht, sei man dafür immer zu zweit.
Hillebrecht ist seit 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Er ist eines von 65 Mitgliedern der Feuerwehrabteilung Freudenstadt. 184-mal rückten die Männer und Frauen im vergangenen Jahr aus. Wohnungsbrände seien zurückgegangen, berichtet Hillebrecht. Dafür haben es die Brandschützer vermehrt mit Sturmschäden zu tun und wegen der zunehmenden Trockenheit, einer Folge des Klimawandels, auch mit Flächen- und Vegetationsbränden. Dass Feuerwehrleute Wasser aus einem Teich entnehmen, um damit beispielsweise einen Waldbrand zu löschen – wie es die Jugend an diesem Freitagabend am Langenbrunnenweiher probt – ist also ein realistisches Szenario.
Wegen des lauten Pumpengeräuschs und der laufenden Motoren der Löschfahrzeuge kann man während der Übung so gut wie nichts verstehen. Aber das ist kein Problem: Die Kinder und Jugendlichen lernen früh die theoretischen Grundlagen der Feuerwehrarbeit. So wissen alle, was zu tun ist – auch ohne viele Worte. Und wenn doch mal kommuniziert wird, dann geht das eben nur mit lauter Stimme. „Ich hatte hier schon Kinder, die zu Beginn sehr zurückhaltend waren und im Laufe der Zeit richtig selbstbewusst geworden sind“, erzählt Hillebrecht, der die Jugendabteilung seit 2011 ehrenamtlich leitet.
30 Nachwuchskräfte stehen auf der Kontaktliste des Jugendwarts, darunter neun Mädchen. Nachwuchsprobleme gibt es in Freudenstadt nicht – im Gegenteil: „Bei uns gibt es gerade sogar einen Aufnahmestopp, weil wir zuletzt so viele Neuaufnahmen hatten“, sagt Hillebrecht. Damit liegen die Freudenstädter im Trend: Nach Jahren mit Nachwuchssorgen verzeichnen die Freiwilligen Feuerwehren in Baden-Württemberg wieder Zuwachs bei der Jugendarbeit. Aktuell gibt es landesweit mehr als 35.000 junge Mitglieder, das ist ein Plus von 13,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018. Die Jugendabteilungen tun viel dafür, Nachwuchs zu werben, unter anderem veranstalten sie regelmäßig Tage der offenen Tür. Auch das Land Baden-Württemberg will mit einer 2021 gestarteten Kampagne Kinder für das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz begeistern.
Für Hillebrecht stellt sich daher eher die Frage, wie viele seiner Schützlinge mit der Volljährigkeit wirklich in die Einsatzabteilung wechseln. „Viele werden für das Studium oder die Ausbildung wegziehen“, befürchtet der Jugendwart.
Jo-Ann Matt, 12, ist fest entschlossen, später auch bei den Großen mitzumischen und dafür die Grundausbildung für den aktiven Feuerwehrdienst zu absolvieren. Die Schülerin weicht während der Übung kaum einen Schritt vom Schlauch und erzählt: „Ich fand die Feuerwehr schon immer interessant, weil sie Menschenleben rettet. Und als ein Freund mir erzählt hat, wie toll die Übungen sind, habe ich sie mir mal angeschaut und war sofort begeistert.“ Jo-Ann gefällt vor allem, wie vielfältig die Aufgaben sind.