Kickstart Klima
Großes im Kleinen ändern

Klimaschutz aus der Graswurzel: Mit Kickstart Klima unterstützt die Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg gemeinsam mit der Allianz für Beteiligung kleines Engagement, das viel und viele bewegt.

Jo Berlien

Klimaschutz braucht das Engagement der Menschen vor Ort. Nur so entsteht Verständnis, in der Nachbarschaft, in Dorf und Stadt. Nur so finden Gruppen zusammen, die auf den ersten Blick gegensätzliche Anliegen haben. Zwei Projekte in Südbaden und in der Mitte von Württemberg zeigen das beispielhaft. Mit Fördergeld der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg haben Menschen in Breisach am Rhein und in Schöckingen im Kreis Ludwigsburg Dinge ins Rollen gebracht, die über das jeweilige Projekt hinauswirken. Die Allianz für Beteiligung hat beide Initiativen für das Programm Kickstart Klima ausgewählt, beraten und unterstützt.

Ein Treffen an einem Frühlingsnachmittag am Stadtrand von Breisach. Auf einem Stück Grasland, entlang der Straße nach Ihringen, hat sich eine Gruppe von Leuten zusammengefunden, um einen Baum zu pflanzen. Naturschützer, Vertreter einer Bürgerinitiative aus dem Nachbarort und ein Landwirt. Leute mit unterschiedlichen, häufig gegenläufigen Interessen. „Ein Miteinander entsteht durch die Aktion“, sagt die Forstwirtin Carola Holweg. „Wenn Naturschützer und Landwirte sich zum Reden in die Runde setzen, führt das meist zu nichts Konkretem. Man geht auseinander und nichts passiert.“ ‚

Carola Holweg kümmert sich teils ehrenamtlich, teils nebenberuflich um ökologische Projekte in Land- und Forstwirtschaft. Sie will nicht nur Bäume oder Hecken pflanzen. Sie will, dass sich das Denken ändert. Nach langer Vorarbeit und unzähligen Einzelgesprächen hat sie die Leute für ihre Projektidee „Landwirte und Bürger gemeinsam für Klimaschutz durch Bäume und Hecken!“ zusammengebracht.

Vor allem aber hat sie den Landwirt August Wagner für die Baumpflanzaktion gewonnen. Wagner, ein schelmischer Mittfünfziger, hat den elterlichen Hof übernommen und 2009 auf Biobetrieb umgestellt. „Ich bin der Landlord“, sagt er und lacht; ihm gehört die Wiese. Er hat sie verpachtet an einen Pferdehof, der sich von einem Lohnunternehmer hier das Gras mähen und das Heu liefern lässt. Weiß man um diese Konstellation, wird klar, wie langwierig es sein kann, diesen einen Baum zu pflanzen: Drei Parteien sind involviert, eine jede hat Bedenken: Wenn die Wiese sauber gemäht werden soll, steht so ein Baum nicht selten im Weg.

Dabei war das Grasland einst Streuobstwiese. „Der letzte Baum war Totholz, ich hätte ihn stehen gelassen“, sagt Wagner. Aber sein vorheriger Pächter hat ihn ungefragt umgehauen. Was weg ist, ist weg, nachgepflanzt wird nicht. Eine Generation später heißt es oft: Hier hat doch noch nie ein Baum gestanden! Carola Holweg sagt dann: „Aber das wissen Sie nicht sicher, früher haben hier wahrscheinlich doch Bäume gestanden, und keiner weiß mehr, dass es eine Streuobstwiese war.“

Auch Bio-Bauer Wagner war skeptisch. So ein Baum macht Arbeit. Breisach kommt übers Jahr auf durchschnittlich 2.717 Sonnen stunden, mehrwöchige Trockenperioden inklusive. Wer einen Baum pflanzt, muss ihn gießen! Carola Holweg will Gießpaten finden, die sich über die Pflanzung hinaus kümmern. So hat sie Landwirt Wagner überzeugt.

Bis zu 6.000 Euro Sachkostenzuschuss erhalten die Projekte im Rahmen des Programms Kickstart Klima. Die Allianz für Beteiligung betreut und begleitet die Klimaschutzgruppen. „Kickstart Klima unterstützt Projekte, die unterschiedlichste Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und dadurch die Bürgerbeteiligung in der Zivilgesellschaft stärken. Dazu müssen auch die Menschen dahinter vernetzt und andere zum Mitmachen animiert werden“, sagt Michael Harder, Projektleiter bei der Allianz für Beteiligung. Er betreut die über 30 laufenden Projekte von Kickstart Klima, organisiert begleitende Veranstaltungen, Netzwerktreffen und Beratungsangebote. „Dabei kann es um alles gehen: Beratung in Sachen Öffentlichkeitsarbeit oder Expertise für Pflanzaktionen. Wichtig ist der Dreiklang aus Austausch, Vernetzung und Bildung.“

Auch Carola Holweg begeistert andere für ihr Projekt. Im April organisierte sie bereits die Pflanzung zweier weiterer Bäume. Breisacher Schülerinnen und Schüler übernahmen das Pflanzen und auch die Intention: die Lage der Landwirtschaft verstehen lernen, Praktisches tun, Natur und Klima helfen.

Wenn Carola Holweg ein Projekt beginnt, hat sie einen Plan. Sie wirft sich rein, haut Leute an, führt dutzendweise Gespräche, hakt hartnäckig nach, bleibt freundlich, verbindlich, gerade dann, wenn sie auf Wider stand trifft. „Ich bin aus Mittelfranken, vom Dorf. Ich mache keinen Unterschied zwischen den Leuten, ob Landwirt oder Naturschützer.“ Sie sieht sich als Mittlerin: „Es kann nicht angehen, nur von den Bauern Veränderungen zu erwarten – wir müssen uns stärker in sie reinversetzen und selbst etwas tun.“ Klimaschutz geht nur, wenn Gemeinsamkeiten gefunden und nicht Gräben aufgerissen werden. Das nötigt auch Toleranz ab.

Fingerspitzengefühl braucht es, wenn sie bei einem Kollegen von Landwirt Wagner um 100 Meter Hecke für den Ackerrand wirbt. „Trotz Feldgespräch im Jahr zuvor ist der Mann abgesprungen.“ Langfristige Planung sei kaum möglich. „Der Hof wird vererbt. Ungewiss ist der Pflegaufwand für die Hecke oder die Zukunft des Ackers, weil vielleicht eine neue Straße kommt.“ Es gibt aber auch gute Nachrichten: Ein ehemaliger Landwirt, der seine Äcker verpachtet hat, sei „offen für zwei Bäume“. Carola Holweg freut sich. „Geht doch!“

 

160 Kilometer nordwestlich von Breisach liegt Schöckingen, ein Dorf am Rande des Ballungsraums Stuttgart. Die Stimmung rund um die Bibliothek des Dorfes ist an diesem Vormittag beinahe ausgelassen. Bücher, Filme und CDs bleiben liegen. Schöckingen holt heute schweres Gerät und Sperrgut heraus: Bohrhammer und Kabeltrommel, Vertikutierer, Nähmaschine, aber auch ein Keyboard. Die Sachen sind Gemeingut. Sie bestücken die „Bibliothek der Dinge“. Man kann sie ausleihen. Die Gruppe um die Psychologin Simone Rathfelder, die Übersetzerin Simone Wirth und die Lehrerin Carola Frey hat sie zusammengetragen und die Gemeinde als Partnerin gewonnen.

Die Idee, Alltagsgegenstände zu vergemeinschaften und zur Ausleihe zur Verfügung zu stellen, ist alt. Es spricht für sich, wenn jede Generation sie auf ihre Weise wie der neu belebt. Angelehnt an die Figur „Verleihnix“ aus dem Asterix-Comic, erfanden sie in Schöckingen die Aktion „Verleihfix“. Eine Spätzlepresse oder eine Bohrmaschine sind Gebrauchsgegenstände, sie mit anderen Leuten zu teilen spart Zeit, Geld und Ressourcen.

„Aber wir haben schnell festgestellt: Guter Wille genügt nicht“, sagt Simone Rathfelder. Wie in Breisach geht es auch in Schöckingen darum, andere mit ins Boot zu holen, durch Kommunikation, Vermittlung und Verständnis. Wer technisches Gerät verleihen will, bekommt es mit Haftungsfragen zu tun. Die Bohrmaschine muss technisch einwandfrei sein. Was, wenn sie kaputtgeht oder wenn ich sie ausleihe und feststelle: Die funktioniert ja gar nicht? Um das zu verhindern, haben die Beteiligten Kontakt zu einem Repair-Café geknüpft. Mit Unterstützung der dortigen Fachkräfte ist die Sicherheit der Elektronik gewährleistet und der Reparaturservice gleich mit dabei.

Es ist wie schon immer im Dorf: Man hilft einander aus. „Das ist praktizierter Klimaschutz“, sagt Michael Harder von der Allianz für Beteiligung. „Nicht jeder braucht ein Vollsortiment an Werkzeugen, wenn er sich Teile leihen kann. Damit werden Ressourcen geschont, es wird nicht so viel weggeschmissen.“

Auch die Gemeinde hat etwaige Bedenken und bürokratische Hürden großzügig beiseitegeschoben und die Bibliothek der Dinge ins Tagesgeschäft der Dorfbibliothek integriert. Wer Werkzeug ausleihen will, braucht nur einen Bibliotheksausweis. Die Gemeinde nimmt die Anfragen an, die Ehrenamtlichen machen alles andere.

Mittelfristig soll die Ausgabe automatisiert werden. Dazu braucht es, wie in anderen Städten, einen Schrank, der wie ein Automat funktioniert, so dass man auch außerhalb von Clemens Morloks Bürozeiten an die Geräte rankommt. Die Bibliothek der Dinge in Schöckingen verfügt dank der Förderung durch die Klimaschutzstiftung über einen Etat von 6.000 Euro. „Wir werden voraussichtlich nicht alles abrufen“, sagt Simone Rathfelder. „Wir haben vieles geschenkt bekommen: einen Bollerwagen, den Vertikutierer, eine Säge, das meiste Werkzeug kaufen wir gebraucht.“ •

Kickstart Klima

Klimaschutz braucht Zivilgesellschaft. Bereits kleine, vor Ort umgesetzte Projekte leisten einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Naturschutz und verankern das Thema in der breiten Bevölkerung. Seit 2023 unterstützt die Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg lokale Klimaschutzprojekte mit einer Sachkostenfinanzierung von bis zu 6.000 Euro sowie externen Beratungsangeboten.

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