Grenzen ziehen – oder Brücken bauen?

Mit „Nouveaux horizons“ stärkt die BW Stiftung die Zusammenarbeit von Frankreich und Deutschland. Drei Beispiele.

Elisa Holz
Lesedauer: 4 Minuten

Das Leben der anderen

Eigentlich trinkt Daniel Niño gar nicht so gerne Kaffee. Aber dessen Wirkung findet er faszinierend. „Kaffee schafft einen eigenen sozialen Kosmos“, erklärt Niño, der aus einem Kaffeeanbaugebiet in Kolumbien stammt und in Karlsruhe „International Business“ studiert. Beim Küchentalk mit seinem Mitbewohner Micha Ianniello ist auch die Idee zu „Kaffee Parce“ – Kaffee Kumpel – entstanden. Die Freunde wollen Fair-Trade-Kaffee von Kleinbauern aus Kolumbien in Deutschland und Frankreich vertreiben. Unterstützt werden sie dabei vom SING & Ami-Ideenlabor, das auf der Achse Strasbourg – Karlsruhe Geflüchtete, Menschen mit Migrationshintergrund und Locals zusammenbringt, die gemeinsam ein Unternehmen gründen wollen. Niño und Ianniello haben Workshops besucht und werden wöchentlich von Mentorinnen und Mentoren gecoacht, um ihre mutige Startup-Idee erfolgreich zu machen. Momentan suchen sie einen Partner in Frankreich. Mit einem jungen Afghanen, der in Strasbourg ein Geschäft für Trockenfrüchte aufziehen möchte, sind sie schon im Austausch. Von solchen Begegnungen wollen nicht nur sie selbst profitieren. „Internationaler Handel verbindet Menschen aus aller Welt“, sagt Ianniello. „Wir hoffen, mit unserer Idee das gegenseitige Interesse am Leben der anderen zu wecken.“ 

Was war und was ist

Die Wintersdorfer Brücke über den Rhein ist Bauwerk und Sinnbild der deutsch-französischen Beziehungen zugleich. Zweimal wurde die ehemalige Eisenbahnbrücke zwischen dem Rastatter Ortsteil Wintersdorf und dem französischen Beinheim im Laufe ihrer Geschichte zerstört – und wieder aufgebaut. Heute ist die „Pont de Beinheim“ eine vielbefahrene Straße. „Verbindungen wie diese müssen auch atmen können“, davon ist Claus Haberecht, Vorstand und Gründer des Vereins PAMINA Rheinpark, überzeugt.

Für den Grenzgänger Claus Haberecht (68) ist es die aktive Zusammenarbeit von engagierten Menschen, die über Grenzen hinweg Brücken in Europa baut. Annette Koehlers (62) Vater hat sogar an der Wintersdorfer Rheinbrücke mitgebaut, deren Geschichte jetzt in einer Wanderausstellung dokumentiert ist.

Als die Brücke 125 Jahre alt wurde, sperrte der Verein „zur Förderung grenzüberschreitender Tätigkeiten“ die Brücke im Sommer 2020 einen Tag lang für den Verkehr. So konnten Franzosen und Deutsche hoch über dem Fluss zusammenkommen. „Das war wunderbar. Es bot sich eine ganz neue Perspektive auf Land und Fluss“, erzählt Annette Koehler, die auf der elsässischen Seite die Veranstaltung begleitet hat. Und weil Sinnbilder über den Tag hinaus wirken, ist seitdem eine zweisprachige Wanderausstellung abwechselnd in Rathäusern rechts und links des Rheins zu sehen. Sie zeigt die wechselvolle Geschichte der Brücke, aber auch, wie wir mit Mut die Wunden der Vergangenheit heilen können. 

Aus der Stiftung – Bildung

NOUVEAUX HORIZONS

Mehr Mut zu grenzenloser Kooperation!  Nouveaux horizons fördert Projekte wie das SING & Ami­Ideenlabor,  die  Wanderausstellung zum Jubiläum der Wintersdorfer Brücke und den Ersten Oberrheintag. Die Bandbreite der geförderten Projekte reicht von Literatur, Kunst und Musik über interkulturelle Initiativen, Pro­gramme zu Themen wie nachhaltige Mobilität oder Klimawandel bis hin zu Konzepten zur grenzüberschreitenden Berufsausbildung. Mehr Infos unter:

www.bwstiftung.de/de/nouveaux­horizons

Junges Ensemble

Als sich im Frühjahr 2020 wegen der Pandemie die Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich schlossen, war das für viele junge Menschen in der Region am Oberrhein ein Schock. „Französische Grenzgängerinnen und Grenzgänger wurden aus Angst vor Corona plötzlich offen angefeindet“, sagt Clément Maury von den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) in Strasbourg. Der transnationale Jugendverband hat in dieser Situation schnell reagiert. Die Mitglieder kontaktierten Politikerinnen und Politiker, organisierten eine Demo für weiterhin offene Grenzen zwischen Frankreich und Deutschland und veranstalteten im Sommer allen Widrigkeiten zum Trotz den Ersten Oberrheintag. 40 junge Leute aus Baden-Württemberg, dem Elsass und der Schweiz trafen sich für ein Wochenende in Breisach zum Diskutieren, Wandern und Grillen. „Es war wichtig, gerade in dieser Situation ein Zeichen europäischer Kooperation zu setzen“, sagt Jakob Rauschert, Landesvorsitzender der JEF Baden-Württemberg. Seitdem können sich die jungen Europäerinnen und Europäer wieder nur noch virtuell treffen, doch ihr Engagement ist ungebremst. Gerade arbeiten sie an einem Magazin zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit – und im Juli 2021 soll, wenn alles nach Plan läuft, der Zweite Oberrheintag stattfinden.