In Frankreich leisten sich die Leute mehr kleinen Luxus
In Frankreich fühlte ich mich wie in einer anderen Zeit. Bei meinem ersten Besuch im Burgund, während der Berufsschule, hatte ich mich in ein kleines Atelier verliebt und wusste: So wie die junge Polsterin will ich arbeiten: das alte Handwerk entstauben, auf Tradition setzen und meinen eigenen Stil entwickeln. Für Schlösser und Gutshäuser, Theater und Cafés oder kleine Boutiquen polsterten wir Sessel und Sofas. Das Spannende ist, dass unsere Handwerkskunst für den Betrachtenden fast immer verborgen ist, verdeckt von Samt und schönen Bezügen. Statt Schaumstoff verwendeten wir ursprüngliche Materialien: Rosshaar oder Palmfaser als Füllung, gegurtet mit Jute und Leinen. Die Federung ist handgeschnürt. Franzosen legen viel Wert auf diese Details. Es ist ein kleiner Luxus, aber erschwinglich und langlebig. Genau das, was gutes Handwerk für mich ausmacht. Als Raumausstatterin lernte ich in Deutschland neben dem Polstern auch Tapezieren und Böden zu verlegen. In Frankreich spezialisiert man sich hingegen stärker und ich konnte ganz meine Passion ausleben. Meine Lehrmeisterin war acht Jahre auf Wanderschaft, in Betrieben in Europa und Australien. Der Austausch im Handwerk und eine gute Ausbildung sind so wichtig, um voneinander zu lernen. Hier muss noch viel getan werden. Für Erwachsene gibt es aber kaum Förderung, darum war das Stipendium eine großartige Chance, meinen Traum zu verwirklichen. Heute arbeite ich als Gesellin für eine Polsterei und bin nebenbei selbstständig tätig. Ich glaube, dass traditionelles Handwerk in Zukunft an Interesse gewinnt. Wenn ich nach jedem Arbeitstag sehe, was ich erschaffen habe, erfüllt mich das.
Paula Catalina Benöhr, 34, ist ausgebildete Raumausstatterin und Polsterin. In Frankreich hat sie von September 2019 bis Juli 2020 traditionelle Arbeitsweisen kennengelernt.