1.400

1.400 Euro ist der monatliche Höchstsatz des Baden-Württemberg-STIPENDIUMs, mit dem junge Menschen aus aller Welt gefördert werden, um für mindestens zwei bis maximal elf Monate in Baden-Württemberg zu studieren oder zu arbeiten. Fünf Stipendiatinnen und Stipendiaten erzählen, wie sie davon profitieren und welche Rolle Geld in ihren Heimatländern spielt.

Isabel Stettin
Lesedauer: 5 Minuten

„Korruption macht vieles in Malawi kaputt“

Asimenye Mukumbwa, 31, studiert Ernährungswissenschaften und Lebensmitteltechnologie im südostafrikanischen Malawi. Als Gaststudentin war sie zu Forschungszwecken im Rahmen ihres Masterprogramms „Food Science and Technology“ von Juni bis September 2022 an der Universität in Hohenheim.

„Es war das erste Mal, dass ich den afrikanischen Kontinent verlassen habe. Dass ich mich hier auf die Forschung konzentrieren konnte, war eine großartige Chance. Das Stipendium, 1.400 Euro im Monat, deckte vieles ab: Fahrtkosten, Lebensmittel, Teile der Flugkosten. Mein Zimmer im Wohnheim auf dem Uni-Campus kostete 256 Euro – das würde mir in meiner Heimat reichen, um einen Monat gut über die Runden zu kommen. Bei meinem Masterprogramm in Malawi zahle ich im Jahr 2.500 Euro allein für die Studiengebühren. Wenn mich meine Eltern nicht unterstützen würden, könnte ich mir meine akademische Karriere nicht leisten. Beide sind in der Finanzbranche tätig. Meine Mutter ist Beraterin, mein Vater arbeitet für die Regierung. Dementsprechend bin ich sehr privilegiert aufgewachsen. 

Malawi-Kwacha heißt unsere Währung. Kwacha bedeutet „Morgendämmerung“ oder „Aufbruch“. Doch statt in eine gute Zukunft aufzubrechen, kämpfen viele Familien in Malawi um ihre Existenz. Sie leben vom Mindestlohn, umgerechnet rund 100 Euro. 400 Euro Gehalt bekommt man etwa für eine gute Stelle im Management eines Betriebs. Ein Manager würde nie öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Stattdessen legen viele großen Wert auf Statussymbole wie ein tolles Auto, egal ob sie es sich leisten können.

Was mir am meisten Sorge bereitet, ist die Korruption, sie macht in meiner Heimat vieles kaputt. Ich will etwas verändern, mich für andere einsetzen. Karriere machen, gut verdienen, das ist mir wichtig. Es gibt in Malawi immer mehr Frauen, die sich für diesen Weg entscheiden, statt früh eine Familie zu gründen.“

„Krieg zeigt einem, was wirklich wertvoll ist“

Tetiana Hanzha, 26, ist aus der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw (Kiew) nach Deutschland geflohen. Sie hat Literatur studiert und ist Filmemacherin. Derzeit arbeitet sie an einer Dokumentation über Vergewaltigung als Kriegsverbrechen. Sie nahm im Sommersemester 2022 an der Internationalen Klasse der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg teil.

„Geld hat mir nie viel bedeutet. Viel wertvoller sind Erfahrungen, Erinnerungen, emotionales Kapital. Wissen ist mein Schatz, den mir niemand nehmen kann. Alles, was ich verdiene, investiere ich in Bücher, Kinobesuche oder Reisen. Einige Mentorinnen und Mentoren haben mich gewarnt: Dokus zu machen ist nichts, um Geld zu verdienen. Sie hatten leider recht. Ich arbeite deshalb noch als Englischlehrerin und Übersetzerin. 

Zu studieren und nebenbei Geld verdienen zu müssen, ist hart. Ich versuche, die Balance zu halten zwischen gut bezahlten Jobs und meinen Herzensprojekten. Manchmal stecke ich auch eigenes Geld in Produktionen, die mir wichtig sind. Meine Mutter erinnert mich oft daran, für das Alter vorzusorgen.

Doch das ist gerade so fern. Mein Verlobter und ich sind am Tag des Einmarsches der russischen Armee aus Kyjiw geflohen. Neben Kleidung packte ich nur wenige Bücher ein, darunter Noa Noa – das Tagebuch des Künstlers Paul Gauguin über seine Reise nach Tahiti. Es war für mich die Inspiration für meinen ersten Film. Darum ist das Buch für mich so kostbar.

Dass ich an der Filmakademie Baden-Württemberg aufgenommen wurde, war für mich ein Geschenk. Von meinem BW-STIPENDIUM, monatlich 750 Euro, konnte ich mein Leben hier bezahlen. Noch viel wichtiger sind für mich aber das Netzwerk hinter dem Stipendium und die Unterstützung für meine Arbeit. Das gibt mir Hoffnung und macht mich stark.“

„Wichtiger als Geld ist uns in Bhutan die Natur“

Sangay Biddha, 54, lebt im buddhistischen Königreich Bhutan, am östlichen Rand des Himalayas. Sie bildet Lehrkräfte für Grundschulen aus. In Heidelberg schrieb sie von Juli bis September 2022 an ihrer Doktorarbeit.

„Wie können wir zufriedener werden, nicht reicher – das steht in meiner Heimat im Vordergrund. Die meisten Menschen in Bhutan sind mit dem zufrieden, was sie haben. Als Buddhisten glauben wir an die Unbeständigkeit. Nur die Seele eines Menschen ist beständig, materielle Dinge vergehen. Bildung hat Priorität, weil das Wohlergehen der Menschen davon abhängt. 

Bhutan ist der einzige Staat, in dem Glück ein offizielles Regierungsziel ist. In den 1970er-Jahren legte unser vierter König fest, dass das Bruttonationalglück für uns mehr zählt als das Bruttosozialprodukt. Seit 2008 befragt die Regierung alle paar Jahre die Bevölkerung, wie es uns geht, jeder und jedem Einzelnen und der Gesellschaft. Gute Bildungschancen, seelisches Wohlbefinden und Gesundheit, das Bewahren von Tradition und Kultur sowie der Schutz unserer Natur sind die wichtigsten Säulen. Das zählt mehr als Profit. Alle wirtschaftlichen Unternehmungen sind darum dem Umweltschutz untergeordnet. Wir achten einander, unsere Mitmenschen, unseren Planeten.

Auch in meiner Doktorarbeit widme ich mich diesem Thema: dem Naturschutz an Grundschulen. Mein Aufenthalt in Heidelberg war eine große Chance für mich und ich habe jeden Tag Neues dazugelernt. Ich arbeitete montags bis samstags, um voranzukommen. 1.400 Euro Stipendium habe ich jeden Monat erhalten, ein Vierteljahr lang. Das empfinde ich als großes Privileg – zumal ich mich hier ganz auf das Schreiben konzentrieren konnte und nicht unterrichten musste. In Bildung zu investieren bedeutet für mich ein besseres Leben. Geld ist wichtig, aber nicht vorrangig. Es ist notwendig, um die grundlegenden Dinge des Lebens zu bekommen: Essen, Kleidung und Unterkunft. Geld sollte jedoch nie über die Menschlichkeit gestellt werden.“

„Freien Zugang zu Bildung, davon können wir in Chile nur träumen“

Alejandra Coa, 23, stammt aus Venezuela und lebt seit fünf Jahren in Chile. Sie wird Übersetzerin und studierte von März bis August 2022 an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg.

„Seit vier Jahren lerne ich Deutsch. Ich möchte später als Dolmetscherin oder Sprachwissenschaftlerin arbeiten. Die Deutschen sagen, Zeit ist Geld – oder andersherum. Geld ist wichtig, keine Frage. Doch es sollte sich nicht alles darum drehen, so wie bei manchen Menschen. Die Löhne sind in meiner Heimat viel niedriger als in Deutschland. Das merke ich deutlich mit Blick auf meinen Nebenjob als wissenschaftliche Hilfskraft an der Hochschule in Freiburg. Für gerade einmal 20 Stunden pro Monat erhalte ich 200 Euro. In Chile würde ich für eine Vollzeitstelle nur doppelt so viel bekommen.

Meine Mutter und ich haben Venezuela, das Heimatland meines Vaters, wegen der schweren Wirtschaftskrise und der zunehmenden Gewalt dort verlassen. Seitdem ich 18 bin, lebe ich nun in Chile. Um Geld zu sparen, wohne ich noch zu Hause. Meine Mutter, eigentlich Ärztin, hat ein Modegeschäft. Sie versucht, all unsere Kosten zu decken. Von meinem BWSTIPENDIUM, monatlich 1.000 Euro, habe ich darum auch einiges nach Hause geschickt und gespart.

In Chile machen sich alle Sorgen um Geld. Es muss vieles privat bezahlt werden, auch Arztbesuche. In Deutschland haben alle freien Zugang zum Gesundheitssystem und zu Bildung, das finde ich großartig. Bei uns sind die Studiengebühren meist hoch, für mich betragen sie etwa 3.000 Euro pro Jahr. Ich kann dank eines Stipendiums studieren. 

Die Zeit in Deutschland war für mich wie ein Neuanfang. Ich habe hier so viele tolle Menschen kennengelernt, die mich unterstützt haben und mit denen ich verbunden bleibe. Dafür bin ich dankbar, denn Freunde können wir mit Geld nicht kaufen. Ich träume nun davon, nach Deutschland zurückzukehren, um hier meinen Doktor zu machen.“

„Dank des Stipendiums konnte ich das erste Mal reisen“

Godson Amamoo, 22, lebt in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Von Februar bis August 2022 arbeitete er in Reutlingen bei zwei Firmen im Bereich der Erneuerbaren Energien und montierte Solaranlagen als Praktikant im BW-STIPENDIUM für Berufstätige. Auch in seiner Heimat ist er im Bereich Solarenergie tätig.

„Ich glaube, Geld kann glücklich machen – und kein Geld zu haben, macht unglücklich. Ich beschäftige mich viel mit Finanzen und dem Aktienmarkt. Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich es investieren. Doch es gibt eine Sache, die mir viel wichtiger ist: Familie. Sie bedeutet mir alles. Sechs Monate war ich in Deutschland. Noch nie zuvor war ich so lange getrennt von meiner Familie und meinen Freunden. Dank des Stipendiums konnte ich zum ersten Mal Ghana verlassen und zum ersten Mal bin ich mit dem Flugzeug geflogen. Vor Aufregung bekam ich vor dem Flug kein Auge zu.

Anders als in Ghana siehst du es den Menschen in Deutschland nicht an, ob sie Geld haben oder nicht. Alle sind ähnlich gekleidet. Das hat mich überrascht. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist bei uns sehr groß. Meine Familie ist irgendwo in der Mitte. Mein Vater arbeitet als Lehrer, meine Mutter verkauft auf dem Markt Zwiebeln. Das Durchschnittseinkommen beträgt etwa 120 Euro pro Monat. Ich verdiene 500 Cedi monatlich, rund 50 Euro.

Mit dem Stipendium hat sich für mich ein Traum erfüllt. Manchmal kann ich mein Glück kaum fassen. In den sechs Monaten habe ich so viel gelernt, so viele neue Erfahrungen gesammelt: den Umgang mit neuen Programmen, Softwaredesign, Sicherheit am Arbeitsplatz. Das allein ist unbezahlbar. Von den 1.400 Euro, die ich während meines Stipendienaufenthalts im Monat bekommen habe, gingen etwa 400 Euro für meine Unterkunft drauf. In der Mittagspause war meine liebste Mahlzeit Brötchen mit Leberkäse. Sehr lecker – und nicht so teuer. Und ich liebe deutsche Süßigkeiten! Von meinem Geld habe ich als Geschenk für meine Familie weiße Schokolade gekauft und jede Menge Gummibärchen.“