Was sind aus Ihrer Sicht die größten Bedrohungen?
Vor allem der Plastikmüll, der das Wasser verschmutzt. Flaschen, Tüten und achtlos weggeworfener Müll finden sich am Grund des Flussbetts. Hat die Donau wenig Wasser, bleiben kilometerlange Müllstreifen am Ufer liegen, bis zum nächsten Hochwasser. Beim Schwimmen konnte ich immer wieder ein Knirschen hören: Der Fluss zermalmt das weggeworfene Plastik wie eine Mühle, zerkleinert es zu winzigen Partikeln, abgeschmirgelt an Sand und Stein. Mikroplastik nennen wir die winzigen Teilchen, von denen es mittlerweile mehr im Flusswasser gibt als Fischlarven: pro Liter 2.700 Partikel. Täglich trägt die Donau vier Tonnen Plastik ins Schwarze Meer.
Warum ist das so besorgniserregend?
Plastik ist ein hervorragender Werkstoff, für vieles sinnvoll. Aber in unseren Gewässern, im Boden und im Körper hat es nichts zu suchen. Wir haben seit dem Jahr 1950 weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe produziert, kaum zehn Prozent davon recycelt und zwölf Prozent verbrannt. Der Rest befindet sich noch in Gebrauch – oder in der Umwelt. In größeren Plastikteilen können sich Tiere verfangen und verenden. Mikroplastik wiederum zieht wie ein Magnet Umweltgifte an, bindet Pestizide, Hormone, Medikamente wie Antibiotika. Fressen etwa Fische die Teilchen, landet das Gift am Ende der Nahrungskette auf unseren Tellern. Sind unsere Ökosysteme krank, erkranken auch wir früher oder später. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass Plastik oder Kunststoff gar nicht erst in Gewässer gelangen.
Rund 2.700 Kilometer zu schwimmen, ist eine enorme sportliche Herausforderung. Täglich waren Sie acht Stunden im Wasser, das um die zwölf Grad kalt war. Wie haben Sie das gemeistert?
Ich habe nie an die ganze Strecke gedacht, immer nur an die nächste Etappe. Mein Körper ist an Grenzerfahrungen gewöhnt. Ich bin seit früher Kindheit im Wasser zuhause. Als Leistungsschwimmer habe ich an Wettkämpfen in der Bundesliga und bei deutschen Meisterschaften teilgenommen. Daher bin ich darin trainiert, möglichst wenig Wasser zu schlucken. Gegen die Kälte half ein Neoprenanzug. Zudem blieb ich immer in Bewegung. Täglich legte ich bis zu 70 Kilometer zurück. Auf unserem Begleitschiff, der MS Marbach, konnte ich mich in den Pausen mit heißer Suppe wärmen und schlafen. Unser Schiff diente als schwimmendes Labor und Hotel für unsere achtköpfige Crew.
Welche Rolle spielte Ihr Team?
Wir hatten eine sehr enge Verbindung. Dieser Zusammenhalt war von unschätzbarem Wert. Jeden Tag entnahmen wir Wasserproben. Mehrere Studierende von der Hochschule Furtwangen, an der ich als Chemieprofessor lehre, übernahmen die Wasseranalyse. Zwei andere leiteten unsere interaktive Wissenswerkstatt für Kinder und Jugendliche: Sie klärten auf, warum achtlos weggeworfene Bonbontüten Enten krank machen können und wie Recycling funktioniert. Wir haben überall Workshops veranstaltet, in Kooperation mit lokalen Initiativen. Zudem begleitete uns ein Dokumentarfilmer: Wir wollen langfristig etwas bewirken und das Bewusstsein der Menschen verändern.
Was haben Sie über die Wasserqualität der Donau herausgefunden?
An vielen Stellen war das Wasser gesundheitsgefährdend verunreinigt. In Baden-Württemberg, wo sich die Schwarzwaldflüsse Brigach und Breg zur Donau vereinen, ist die Wasserqualität noch sehr gut. Je weiter stromabwärts man aber kommt, desto mehr Müll trägt der Fluss mit sich und desto stärker war die Verschmutzung, auch weil immer mehr Abwasser aus den Städten im Wasser landete. In Serbien war die Donau mit am dreckigsten: Dort sah ich etwa, wie aus einer Industrieanlage eine rote Brühe in das Wasser geleitet wurde. Da das Land nicht zur Europäischen Union gehört, ist es nicht an die EU-Wasserrahmenrichtlinie gebunden. Die Millionenstadt Belgrad leitet ungeklärtes Abwasser einfach in den Fluss. Der Bevölkerung war das gar nicht bewusst. Es hat für einen Skandal gesorgt, als ich im Interview mit dem dortigen Frühstücksfernsehen davon berichtete und erklärte, warum ich in Belgrad das Wasser verlassen hatte. Ausgerechnet dort, wo ich nicht schwimmen konnte, habe ich mit das größte Echo ausgelöst. Besorgniserregend fand ich auch, wie viele tote Fische uns in Budapest entgegengetrieben sind. Da bleibt die Frage, woran sie gestorben sind.
Ihre Route führte Sie auch ins ukrainisch-rumänische Grenzgebiet. Inwieweit hat der russische Angriffskrieg Ihre Reise beeinträchtigt?
Immer wieder hörten wir Explosionen. Wir kamen dem Kriegsgebiet nah, doch wir haben nichts riskiert. Die geplanten Workshops in der Ukraine mussten darum bedauerlicherweise ausfallen. Wir unterstützten geflüchtete Kinder aus der Ukraine mit Sachspenden. Aus PET-Flaschen recycelte Turnbeutel übergaben wir an eine Hilfsorganisation. Besonders fatal ist natürlich auch, was dieser Krieg neben der humanitären Katastrophe, neben all dem Leid, für die Umwelt bedeutet. Das Wasser wird durch die Kampfhandlungen stark kontaminiert.