Mit eurer Teilnahme und eurem Engagement prägt ihr Talent im Land mit, sei es erst seit Kurzem oder schon seit vielen Jahren. Was bedeutet das Programm für euch?
Ayda Al-Khafadji Ich bin seit diesem Jahr Stipendiatin bei Talent im Land oder TiL, wie wir es meistens nennen. Eine Sache ist mir dabei besonders aufgefallen: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ich mich in dem Programm so angenommen fühle – genau so, wie ich bin und mit allem, was ich mitbringe.
Viktor Bindewald Das nehme ich ähnlich wahr. Ich war damals Teil des zweiten Jahrgangs von TiL und weiß noch, dass mir ziemlich mulmig war, als ich zu meinem ersten Treffen gefahren bin. Ich bin eher ein introvertierter Mensch und habe mir Sorgen gemacht, weil so viele Leute da sein würden, die ich nicht kenne. Vor Ort hat mich die Atmosphäre dann aber völlig überwältigt: Alle haben sich ehrlich für einander interessiert. Es gab keinen Raum für Vorurteile. Gerade wenn man einen Migrationshintergrund hat oder sozial benachteiligt ist, ist dieses Gefühl nicht selbstverständlich.
A.A. Stimmt, ich habe sonst oft das Gefühl, dass man sich im Alltag stärker beweisen muss als andere und gegen Vorurteile ankämpft. Zum Beispiel sind meine Eltern zwar aus dem Irak ausgewandert, aber ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Trotzdem werde ich ständig gefragt, wo ich denn ursprünglich herkomme.
V.B. Diesen unterschwelligen Rassismus kenne ich gut. Ich werde heute noch regelmäßig gelobt, wie gut ich Deutsch spreche. Dabei habe ich die Sprache schon gelernt, als ich zwölf Jahre alt war. Damals bin ich mit meinen Eltern aus Kasachstan nach Deutschland ausgewandert, erst in Brandenburg und dann in Baden-Württemberg gelandet. Die ersten Deutschkenntnisse habe ich mir selbst beigebracht – mithilfe eines DDR-Lehrbuchs, das ich in den Sommerferien vor der Übersiedlung gelesen habe.
A.A. Das klingt herausfordernd. So eine schwierige Geschichte habe ich nicht erlebt. Gerade deshalb hätte ich auch nie damit gerechnet, bei Talent im Land aufgenommen zu werden.
V.B. Mit dem Gefühl bist du nicht allein. Ich habe viele Stipendiatinnen und Stipendiaten getroffen, die geglaubt haben, andere würden die Förderung mehr verdienen als sie selbst – und das, obwohl sie teils sehr schwierige Fluchtgeschichten oder sonstige Hürden auf ihrem Lebensweg haben. Ich glaube, das liegt daran, dass man hier gut aufeinander achtet.
A.A. Finde ich auch. Talent im Land schafft einen Raum, der mit Migration und sozialer Benachteiligung gut umgeht. Während des Ramadans gab es zum Beispiel ganz selbstverständlich Essen, das zum Fastenbrechen zubereitet wird. So was weiß ich sehr zu schätzen.
Wie hat sich euer Leben durch das Stipendium denn verändert?
V.B. Als ich mich beworben habe, wusste ich ehrlich gesagt gar nicht, was auf mich zukommen würde. Damals gab es noch kein umfassendes Infomaterial oder Imagefilme über das Programm, die ich mir hätte anschauen können. Meine Lehrerin kam damals mit dem Vorschlag auf mich zu. Ich habe ihr vertraut und mich beworben – dass diese Entscheidung mein Leben so prägen würde, hätte ich nie gedacht.
A.A. Ich auch nicht. Meine Geschwister waren vor mir bei TiL und haben mir regelmäßig vorgeschwärmt, wie toll der Zusammenhalt dort ist und wie viel die Seminare und Workshops ihnen geholfen haben, gut durch die Schulzeit zu kommen. Ich habe immer gedacht, sie übertreiben ein bisschen. Ich konnte mir das nicht vorstellen.